Samstag, 9. November 2019

Vom Duft vergangener Farben und von der Sehnsucht nach Abenteuern, Reisen und echten Feen...



Es ist ganz stille. Aufrecht steht der Duft
vergangner Farben in den welken Wegen.
Die Himmel halten einen langen Regen
die Blätter gehn auf Stufen durch die Luft.


Rainer Maria Rilke














Es gab eine längere Pause in diesem Blog. Den vergangenen Sommer habe ich übersprungen. Zu groß war er mir, zu heiß und zu laut. Und leider zu sehr mit anderem angefüllt.

Mit dem Herbst nun kommt die Lesezeit. In jeder Hinsicht. Die Neugier auf neu erscheinende Bücher wächst und jede Menge Menschen beschäftigen sich wieder einmal mit dem Thema Lesen. Und so fand nun auch eine Vorlesestudie der Stiftung Lesen erneut heraus, dass Eltern ihren Kindern viel zu selten vorlesen. 

Das erinnerte mich an ein kleines Mädchen, mit dem ich mich vor einiger Zeit auf dem Spielplatz an meiner Schule unterhielt. Ich hatte es zuvor dort noch nie gesehen. Es ging selbst noch in den Kindergarten, wie es mir erzählte, und war gekommen, um ein Geschwisterkind vom Nachmittagsunterricht abzuholen. Wir sprachen über den Schulanfang und das Lesenlernen. Es würde so gern schon lesen können, meinte es. Und wie eben Erwachsene manchmal so daherreden, sagte ich so etwas wie: "Na, das lernst du bestimmt schnell - und bis dahin kannst du dir ja noch vorlesen lassen!" Da sah mich das Mädchen traurig an. "Von wem denn?" Ich fragte: "Wird denn im Kindergarten nicht vorgelesen?" Es schüttelte den Kopf. "Nur manchmal. Wenn die Vorlesepaten kommen. Und oft kommen die gar nicht." - "Und die Erzieherinnen?" - "Nein, die nicht. Die machen andere Sachen mit uns, aber vorlesen tun die gar nicht." Die Mutter des Mädchens, die vom Rand des Spielplatzes unsere Unterhaltung mitverfolgte und sehr müde wirkte, fügte hinzu: "Und zuhause schaffen wir es auch nicht. Auch wenn wir es uns noch so sehr vornehmen. Wir finden einfach keine Zeit." In diesem Augenblick setzte die Schulglocke unserem Gespräch ein Ende.

Zurück blieb ich. Etwas ratlos. Es war ja nichts so Neues, was ich da erfahren hatte. Ich weiß um die vielseitigen Aufgaben der Erzieherinnen und Erzieher im Kindergarten und darum, dass es von ihnen fast überall noch immer zu wenige gibt; ich weiß auch, dass es nicht immer einfach ist, ehrenamtliche Lesepaten zu finden. Ich weiß, wie viele Großeltern selbst noch im Arbeitsleben stehen und ich weiß auch noch, wie es war, selbst als Mutter todmüde von der Arbeit nach Hause zu kommen. 

Ich erinnere mich aber auch daran, dass Lesen - auch das gemeinsame Lesen mit meinem Kind - für mich eher Erholung bedeutete und den Vorrang hatte vor anderen Tätigkeiten. Auch vor dem Fernsehen, dazu war ich meist zu ungeduldig; ich wollte nicht nur dasitzen und aufnehmen, was mir dort serviert wurde. Beim Lesen musste ich selbst aktiv werden, konnte innehalten, wann ich wollte und in Ruhe nachdenken oder träumen, vor- oder zurückblättern. Computer hatten wir damals noch keinen, auch kein Internet. Ein Handy diente nur zum Telefonieren. Niemand hätte geahnt, was ein Handy kurze Zeit später schon alles können würde! Aber aus vielen Büchern, die wir in dieser Zeit gemeinsam gelesen hatten, zitieren Raphi und ich oft noch heute, wenn wir uns treffen und uns gerade etwas daraus in den Sinn kommt, vor allem, wenn es etwas Witziges war! Das passiert oft, ein Stichwort genügt - und wir können immer wieder neu darüber lachen! Auch das zählt zu den gemeinsamen Erinnerungen, die bleiben. Erinnerungen an Erlebtes können ja manchmal ganz unterschiedlich sein und es gibt vieles, woran wir vielleicht nicht so gern zurückdenken. Erinnerungen an Gelesenes jedoch zählen meist zu den schönen Erinnerungen, an denen wir uns aufrichten können, wenn es uns mal nicht so gut geht. 

Ich glaube nicht, dass es heute, hätte ich noch einmal jüngere Kinder, sehr viel anders wäre. Gewiss, heute verbringe ich gern viel Zeit im Internet mit dem Laptop oder Tablet. Zeit zum Lesen nehme ich mir dennoch. Mir würde sonst etwas fehlen! Ich glaube, es ist wichtig, sich die Zeit bewusst zu nehmen. Und vieles, womit ich mich im Internet beschäftige, hat mit dem Thema Lesen zu tun, wie ja auch mein Blog hier.

Noch immer weiß ich wenig über seine Leserinnen und Leser. Schauen hier wirklich Kinder herein? Oder doch mehr deren Eltern und Großeltern? Oder Menschen, die beruflich mit Kindern zu tun haben? Ich weiß es nicht. Zumeist mache ich ja über soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook auf neue Beiträge aufmerksam und dort erreiche ich wohl eher die Erwachsenen.

Jedenfalls habe ich wieder nach Büchern Ausschau gehalten, an denen Kleine und Große gleichermaßen Freude haben können. Gerade das Bilderbuch hat in den letzten Jahren eine beeindruckende Entwicklung genommen, es ist inzwischen zu einer eigenen Kunstform geworden, die ihre Fans in jedem Alter findet.

Kennt ihr das? Jemand ist müde und will nur noch schlafen, der oder die andere hingegen ist so was von hellwach und voller abenteuerlicher Ideen? Ebenso geht es den ungleichen Nachbarn Bär und Ente. Wer von euch sich wohl in dieser witzigen Geschichte wiederfindet und wo?

Jory John/Benji Davies:
Du schon wieder!

Übersetzt von Ebi Naumann
ISBN: 978-3-8489-0169-2
13,00 €
Stuttgart 2019 (Aladin)

Überall im Buchhandel










Der Herbst ist die Zeit des Vogelzugs. Nur Gänserich George gibt vor, nicht gern zu reisen. Er bleibt lieber am Ort. Fragen Freunde nach, gibt er an, viel zu tun zu haben. Aber George hat in Wirklichkeit ein ganz anderes Problem: Er kann nämlich nicht fliegen. Sein technisch begabter Freund Pascal - natürlich mal wieder ein Bär! - lässt sich auf der Suche nach einer Lösung so manches einfallen, doch auch er stößt bald an seine Grenzen. Wie George schließlich doch noch zum Fliegen verholfen werden kann, erzählt diese berührende Geschichte von verlässlicher Freundschaft und Phantasie, die alle Hindernisse überwindet.



Gus Gordon:  

Irgendwohin
oder der Tag, an dem George das Fliegen lernte

Aus dem Englischen von
Gundula Müller-Wallraf

ISBN 978-3-95728-026-8
14, 00 €
München 2018 (Knesebeck)
Überall im Buchhandel

Feengeschichten waren zu allen Zeiten dazu angetan, unsere Phantasie zu beflügeln. Wir versetzen uns ins Jahr 1917 in England. Zwei kleine Mädchen spielen gern im Wald und leben mit den "Geschöpfen des Waldes" in vertrauter Freundschaft. Eines Tages kommen sie auf die Idee, die Feen, die sich nur ihnen zu erkennen geben, zu fotografieren, um sie auch den Erwachsenen zu zeigen. Sie ahnen nicht, welchen Wirbel sie damit auslösen werden! Die Bilder machen überall die Runde, Zeitungen berichten darüber. Arthur Doyle, Autor der Sherlock-Holmes-Bücher, der sich gern mit außergewöhnlichen Erscheinungen beschäftigt, hält die Feenfotos für echt. Viele Menschen beschäftigten sich über viele Jahre mit diesem Rätsel. Erst als die beiden Schwestern schon in hohem Alter waren, gab eine von ihnen zu, dass sie damals für die Fotos selbst gemalte und ausgeschnittene Papierfiguren mit Stecknadeln verwendet hätten. Die Feen selbst seien zu unruhig gewesen, um sich fotografieren zu lassen, denn Fotografieren war damals noch eine aufwändige Sache, die viel Stillhalten erforderte. Dass es die Feen von Cottingley jedoch wirklich gegeben hat, haben beide Frauen ihr Leben lang hoch und heilig versichert! Ihre Geschichte wird nun in diesem bezaubernden Bilderbuch nacherzählt:


Ana Sender:

Die Feen von Cottingley

Aus dem Spanischen von Marianne Gareis

15,00 €
ISBN: 978-3-314-10477-0
Zürich 2019 (Nord-Süd)

Überall im Buchhandel













Für alle Kinder, die ebenso gern im Wald sind, gibt es ein neues Natur-Sachbuch von Peter Wohlleben, den ihr bereits von seinen faszinierenden Büchern über Bäume kennt. Diesmal geht es um Tiere und wieder gibt es jede Menge Wissenswertes und Erstaunliches mit vielen tollen Fotos sowie praktische Tipps für eigene Erkundungen.




Peter Wohlleben:

Weißt du, wo die Tiere wohnen?

Eine Entdeckungsreise durch Wiese und Wald
Illustrationen von Stefanie Reich und Dagmar Herrmann
18,00 €
ISBN: 978-3-7891-0941-6
Hamburg 2019 (Oetinger)

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Dass ihr mir gut durch den Herbst kommt und euch eure Neugier und den Spaß am Lesen, Lernen und Entdecken immer erhaltet, wünscht euch

Betty


Sonntag, 10. März 2019

Von der Sehnsucht nach dem Frühling, vielen Bären und der Geschichte eines alten Hauses...

Singt ein Vogel, singt ein Vogel, singt im Märzenwald,
kommt der helle, der helle Frühling, kommt der Frühling bald.
Komm doch, lieber Frühling, lieber Frühling, komm doch bald herbei,
jag den Winter, jag den Winter fort und mach das Leben frei!

Kinderlied (Text & Weise: Heinz Lau)





Auf einer Wanderung bei Heidelberg hatte ich das große Glück, diesen kleinen Sänger mit meiner Kamera einzufangen. Es sah so aus, als gebe er ein Konzert ganz für mich allein. Und als mahnte er mich, dass es Zeit würde, mich endlich wieder an mein Blog hier zu setzen.

Meine Wanderung führte mich hoch über dem Neckartal zum so genannten "Philosophenweg", von dem man den schönsten Blick auf Heidelberg hat und wo der Frühling schon sehr früh anfängt.

Blick auf Heidelberg vom Philosophenweg


Hier sind viele Dichter und Denker schon zu früheren Zeiten gern spazieren gegangen und haben sich zu manchem Gedicht und Gedanken inspirieren lassen.










Krokusblüte in der Eichendorff-Anlage am Philosophenweg Heidelberg





So auch der Dichter Hölderlin vor mehr als 200 Jahren, der Heidelberg diese Liebeserklärung machte:


Lange lieb' ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,
   Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,
      Du, der Vaterlandsstädte
         Ländlichschönste, so viel ich sah.

Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,
   Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
      Leicht und kräftig die Brücke,
         Die von Wagen und Menschen tönt.

Friedrich Hölderlin



Und wir spüren: Etwas davon ist noch immer da!





Aber ich wollte ja auch nach zum Frühling passendem Lesestoff für euch Ausschau halten.

Ich weiß nicht, wie es euch geht: Bärengeschichten lassen mich nie los, sie faszinieren mich immer wieder. Und wer glaubt, über Bären sei schon alles erzählt, den kann ich beruhigen: Es findet sich noch immer wieder etwas Neues, so wie diese bezaubernde Bilderbuchgeschichte aus Japan, wo es eher als bei uns möglich ist, vom Ast eines Baumes aus das Meer zu sehen. Sie handelt von einem kleinen Hasen auf der Suche nach dem Frühling.







Chiaki Okada / Ko Okada:

Bist du der Frühling?

Aus dem Japanischen übersetzt von Ursula Gräfe
Frankfurt 2019 (Moritz)
ISBN: 978-3-89565-372-8
14,00 €
Überall im Buchhandel






Darf man denn auch Lügengeschichten erzählen? Warum nicht? Wenn alle sich klar darüber sind, dass es sich um eine Lügengeschichte handelt und alle ihren Spaß daran haben: Jederzeit!

Eine haarsträubende Lügengeschichte, an der die Kinder meiner Sprachgruppe großen Spaß hatten, ist "Mama, da steht ein Bär vor der Tür!" Denn, was würde eure Mutter sagen, wenn plötzlich ein Bär vor der Tür stünde? Im elften Stock?! Was ein Bär dort wohl will? - Natürlich: Das Meer sehen!

Sabine Lipan/Manuela Olten

Mama, da steht ein Bär vor der Tür!

München 2014 (Tulipan)
ISBN 978-3-86429-183-8
14,95 €
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Zu diesem Buch gibt es auch witzige, kostenlose Spiele-Apps in App-Stores für iOS und Android. Bitte ladet euch aber nie etwas selbst herunter, sondern nur in Absprache mit euren Eltern, da es auch bei kostenlosen Apps immer mal passieren kann, dass man aus Versehen etwas zusätzlich mit einkauft, das dann plötzlich eine Menge Geld kostet! Fragt bitte immer zunächst Erwachsene, die sich damit auskennen!











Manchmal entstehen Freundschaften an ungewöhnlichen Orten. So wie die von Maus und Ente, die sich - im Bauch eines Wolfes treffen! Hier hat es jemand verstanden, daraus eine herrlich komische Geschichte zu spinnen!

Mac Barnett/Jon Klassen

Der Wolf, die Ente & die Maus

Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Bodmer
Zürich 2018 (NordSüd)
ISBN: 978-3-314-10440-4
15,00 €
Überall im Buchhandel














Noch einmal um Bären soll es hier gehen, diesmal für die Freunde von Sachbüchern unter euch. Der Eisbär ist ein sehr gefährdetes Tier, gerade in unseren Zeiten, da unser Klima immer wärmer zu werden droht. Denn ein Eisbär, wie sein Name schon sagt, braucht nun mal Kälte und eine geschlossene Eisdecke zum Leben. Er ist von der Natur einzigartig für dieses Leben ausgestattet. Der beste Weg, Tieren helfen zu können, ist, zunächst mal ganz viel über sie und das, was sie brauchen, zu lernen. Dies könnt ihr ganz nebenbei beim Lesen dieser faszinierenden Eisbärengeschichte.

Jenni Desmond

Der Eisbär

Aus dem Englischen übersetzt von Sophie Birkenstädt
Hamburg 2017 (Aladin)
16,95 €
Überall im Buchhandel




Nun ging es lange um Tiere. Im letzten Buch, das ich euch vorstellen möchte, geht es hingegen um Menschen. In einem alten Haus in Russland, in Moskau, lebt eine Familie über mehrere Generationen. Wir bekommen Einblick in ihr Haus, in ihr Leben in einem Zeitraum von 100 Jahren - von 1902 bis 2002 - und so zugleich in die russische Geschichte. Dieses Buch ist für die Älteren unter euch, empfohlen ist es ab zwölf Jahren, aber auch Jüngere, die sich dafür interessieren, können sich natürlich damit beschäftigen, vielleicht gemeinsam mit jemand Erwachsenem.

Alexandra Litwina
Lorenz Hoffmann (Übers.)
Thomas Weiler (Übers.)
Anna Desnitskaya (Illustr.)

In einem alten Haus in Moskau

Ein Streifzug durch 100 Jahre russische Geschichte
Hildesheim 2017 (Gerstenberg)
ISBN 978-3-8369-5993-3
24.95 €
Überall im Buchhandel







Nun bleibt mir, euch einen schönen Frühling zu wünschen!

Sitzt mir aber vor lauter Lesen oder gar Computerspielen nicht nur im Zimmer! Nichts wie raus mit uns an die frische Luft! Notfalls auch - wie hier im Bild - mit wollenen Unterhosen... :-)

Herzliche Grüße

Eure Betty