Samstag, 28. Februar 2015

Von einem blauen Band, einem dichtenden Pfarrer und seinem Turmhahn - und wundersamen Wasserfrauen in tiefen Seen...


Er ist 's

Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab ich vernommen!

Eduard Mörike


Gewiss, ein wenig Zeit werden wir ihm noch lassen müssen, aber erste Boten zeigen, dass der Frühling zu uns unterwegs ist. Die Veilchen träumen zwar noch, dafür steckt - Hokuspokus - der Krokus seine Nase schon ans Licht, wie es auch in dem schönen Märzlied von Rolf Zuckowski heißt. Diesen hier auf dem Bild fand ich im Garten meiner Mama, zusammen mit vielen Schneeglöckchen, die sich dort versammelt haben, um eine neue Jahreszeit einläuten.



Eine liebe Freundin von mir meinte, dieses hier sähe aus wie eine Tänzerin. Dies war mir zuvor noch gar nicht aufgefallen, aber beim näheren Hinsehen könnte man es wirklich glauben. Oder was meint Ihr?

Das bekannte Frühlingsgedicht vom blauen Band lese und höre ich immer wieder gern, weil es das Kommen des Frühlings sehr schön beschreibt. Sein Dichter, Eduard Mörike, steht mir außerdem nahe, weil er aus meiner Gegend kommt. Er ist in dem schönen Städtchen Ludwigsburg geboren, wo ich immer wieder sehr gern hinfahre und die herrlichen Schlossgärten bewundere. Einiges darüber findet Ihr in Betty's Büchergarten

Nun war Dichter auch früher nicht der Beruf, den sich Eltern unbedingt für ihre Kinder wünschen, und so musste Eduard auf Geheiß seines Onkels, der seine Ausbildung bezahlte, Pfarrer werden. In diesem Beruf war er jedoch nicht sehr glücklich; er stieg nicht gern auf die Kanzel in der Kirche und predigte. Er mochte nicht gern vor vielen Menschen reden. Viel lieber ging er in der Natur spazieren, schrieb Gedichte und sammelte Märchen, Sagen und Geschichten, die sich die Leute erzählten.

Eine seiner Pfarrstellen hatte er in dem kleinen Dorf Cleversulzbach in der Nähe von Heilbronn, wo heute noch ein kleines Museum im alten Schulhaus für ihn eingerichtet ist, das man besichtigen kann. Wer gerne spazieren geht oder wandert, kann auf dem "Mörike-Pfad" immer den Schildern mit dem Turmhahn-Symbol nachgehen und die Lieblingsplätze des Dichters besuchen. Ich selbst war dort schon einmal vor einigen Jahren und habe mir vorgenommen, bald einmal wieder hinzufahren.



Eine der bekanntesten Geschichten, die man sich von Mörike zu erzählen weiß, ist die vom alten Turmhahn. In der Zeit, als er in Cleversulzbach Pfarrer war, musste am Kirchturmdach manches erneuert werden, und so wurde auch gleich der alte, verwitterte Turmhahn heruntergenommen und durch einen neuen ersetzt. Mörike jedoch tat der alte Turmhahn Leid, der so einsam und vergessen im Hof herumstand. Er fand, dass er dies nach so langer, treuer Dienstzeit auf dem Kirchturmdach nicht verdient hätte, und bat darum, dass man ihm den Hahn in die Stube bringen sollte. Ratet mal, wie die Leute darauf reagiert haben? Genau! Sie sagten Dinge wie: "Der Pfarrer Mörike, der spinnt ja schon lange ein bisschen mit seiner Dichterei, und jetzt ist er nun wohl ganz verrückt geworden!"


Aber um das Gerede der Leute hat sich Eduard Mörike nie gekümmert. Der Turmhahn bekam einen Ehrenplatz in seinem Schreibzimmer und sogar ein eigenes, ihm gewidmetes Gedicht, welches so beginnt:

Zu Cleversulzbach im Unterland
Hundertunddreizehn Jahr ich stand,
Auf dem Kirchenturm ein guter Hahn,
Als ein Zierat und Wetterfahn.
In Sturm und Wind und Regennacht
Hab ich allzeit das Dorf bewacht.
Manch falber Blitz hat mich gestreift,
Der Frost mein' roten Kamm bereift,
Auch manchen lieben Sommertag,
Da man gern Schatten haben mag,
Hat mir die Sonne unverwandt
Auf meinen goldigen Leib gebrannt.
So ward ich schwarz für Alter ganz,
Und weg ist aller Glitz und Glanz.
Da haben sie mich denn zuletzt
Veracht't und schmählich abgesetzt.
Meinthalb! So ist der Welt ihr Lauf,
Jetzt tun sie einen andern 'nauf.
Stolzier, prachtier und dreh dich nur!
Dir macht der Wind noch andre Cour...

Das Gedicht geht noch viel, viel weiter und ist so lang, dass es hier jede Menge Platz bräuchte. Wer es gerne in voller Länge lesen möchte, findet es an verschiedenen Orten im Internet, wie zum Beispiel hier - sehr schön mit alten Bildern illustriert - im Goethezeitportal, wo man auch sonst vieles über Dichter erfahren kann.

Und hier geht es zum Mörike-Museum Cleversulzbach, wo man den alten Turmhahn noch bewundern kann.






In dem Kindergarten, in dem ich hin und wieder arbeite, haben sich inzwischen mehrere Kinder, die sich gern mit Büchern beschäftigen, zu einem Leseclub zusammengefunden. Gemeinsam haben wir viel gelesen und erzählt, uns mit Eltern und Großeltern zu einem Erzählcafé getroffen und auf einem kleinen Ausflug die Bücherei unserer Stadt erkundet.

Im Zuge unserer Leseabenteuer sind auch wir Mörike begegnet. Wir entdeckten die Geschichte einer Wassernixe, genannt "Die schöne Lau", welche sich die Leute von der südlichen Schwäbischen Alb bei Blaubeuren in der Nähe von Ulm erzählten, und die Mörike aufgeschrieben hat. Es gibt dort einen sehr tiefen Quellsee, seiner Farbe wegen "Blautopf" genannt, auf dessen Grund, wo sich das Wasser aus vielen, weitverzweigten Höhlen sammelt, die schöne Lau lebte und Freundschaft mit einer netten Gastwirtsfamilie in der Menschenwelt schloss, die ihr aus ihrer Traurigkeit heraushalf.  Die Illustratorin Daniela Drescher hat diese Geschichte mit stimmungsvollen Bildern in traumhaften Farben in diesem wunderschönen Bilderbuch festgehalten.



Eduard Mörike / Daniela Drescher:
Die Geschichte von der schönen Lau. Stuttgart 2009
(Urachhaus), € 14,90 
ISBN: 978-3-8251-7641-9 
Überall im Buchhandel
Link zum Buch: Die Geschichte von der schönen Lau


Besonders liebten die Kinder die darin erzählte Begebenheit von dem frechen Burschen, der die Tiefe des Sees mit einem Bleilot an seiner Angelschnur messen wollte, und als er diese hochzog, nur eine Zwiebel daran hängen fand. Die Wasserfrau hatte ihm einen Streich gespielt, und der schwäbische Spruch, den die Leute in dieser Gegend seitdem gern sagen, ist ein wahrer Zungenbrecher, den die wir natürlich gleich ausprobieren mussten: 


„‘S leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeura,
glei bei Blaubeura leit a Klötzle Blei!“


Wer es schafft, dies ganz schnell herzusagen, kann sich wohl einen wahren Sprachkünstler nennen. Wer mag es versuchen? :-)

Auf der Homepage von Daniela Drescher findet sich eine Kostprobe ihrer schönen Illustrationen zu verschiedenen Kinderbüchern.

Für jene, die jetzt neugierig geworden sind und sich gern über den sagenhaften Ort kundig machen möchten oder ein neues Ausflugsziel suchen, geht es hier zum Blautopf.


Wer hingegen die schönen alten Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm liebt, dem sei ein zauberhaftes Märchenbuch empfohlen, das auf jeweils einem großen Bild ein ganzes Märchen erzählt. Dort gibt es ein Wiedersehen all mit den alten Bekannten wie "Hänsel und Gretel", "Frau Holle", "Aschenputtel", "Dornröschen", den "Bremer Stadtmusikanten" und vielen anderen, deren Abenteuer man immer wieder neu lesen und hören kann.



Barbara Bedrischka-Bös (Illu.):
Meine wunderbare Märchenwelt.
Die schönsten Märchen der Brüder Grimm
in zauberhaften Erzählbildern
Freiburg im Breisgau 2012
Kerle Verlag, € 16.95
ISBN: 978-3-451-71115-2
Überall im Buchhandel

Link zum Buch: Meine wunderbare Märchenwelt




 
Ein sehr schönes, poetisches Bilderbuch über einen Apfelbaum im Jahreskreis ist hingegen ganz neu erschienen und lädt zum Betrachten und Träumen ein:




Görel Kristina Näslund: 
Unser Apfelbaum  
Illustrationen von Kristina Digman
Aus dem Schwedischen von Karl-Axel Daude
Zürich 2014 (Bohem Press), € 12,95
ISBN 978-3-85581-544-9
Überall im Buchhandel

Link zum Buch: Unser Apfelbaum (Seite 18 auf der Liste) 









Kommt es manchmal vor, dass Ihr Euch gern vorlesen lassen würdet, aber gerade niemand Zeit hat? Auf der Seite von OHRKA.de gibt es Abhilfe! Dort haben viele Journalisten und Schauspieler ehrenamtlich, also ohne etwas dafür zu bekommen, Kinderbuchklassiker für Euch vorgelesen, die man dort als kostenlose Hörbücher abrufen kann. Hört mal rein!

Weitere Links für Kids findet Ihr ganz unten auf der rechten Seite dieses Blogs, wo ich manches sammle, was ich beim Stöbern so finde, und von dem ich denke, dass es etwas für Euch sein könnte.

 


  
Da der nahende Frühling uns zu vielen Entdeckungen in der Natur einlädt, will ich Euch im nächsten Blog gern einige Naturführer und Bestimmungsbücher für Kinder vorstellen.

Einstweilen werde ich mich noch für einige Wochen bei den Kleinsten in einer Krippengruppe umschauen und bin sehr gespannt, ob es auch dort schon kleine Bücherwürmer gibt.
Ich werde berichten!


Einen schönen Frühling mit vielen tollen Erkundungen und viel Lesespaß
wünscht Euch

Betty
 

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